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ULRICH KLOTZ (FRANKFURT, MITGLIED DER EXPERTENGRUPPE „ZUKUNFT DER ARBEIT“ BEIM BUNDESKANZLERAMT): „DIE ZUKUNFT DER ARBEIT“

Ulrich Klotz ist bereits seit den 80er Jahren in zahlreichen Sachverständigengremien und Programmbeiräten des Bundesforschungsministeriums als Beirat und Gutachter tätig und darüber hinaus Autor von mehr als 200 teilweise preisgekrönten Buch- und Zeitschriftenveröffentlichungen zum Thema Arbeit, Technik und Innovation. Lange Zeit war er beim Vorstand der IG Metall zuständig für die Schwerpunkte Forschungs- und Innovationspolitik sowie Unternehmens- und Arbeitsformen der Zukunft. Aktuell ist er Mitglied der Expertengruppe „Zukunft der Arbeit“ beim Bundeskanzleramt.

Herr Klotz studierte Elektrotechnik/Informatik an der TU Berlin. Es folgten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in der Computerindustrie und im Werkzeugmaschinenbau. U.a. war er auch an der Entwicklung der ersten Mikrocomputer beteiligt (1973). Seit dem Aufbau der IG Metall-Innovationsberatungsstelle (1979) konzentrierte er sich auf die Themen „Arbeit und Innovation“. Es folgten Lehraufträge an den Universitäten Bremen, Hamburg und Hannover und eine Stiftungsprofessur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Der weitere Werdegang hin zu vielen Schaltstellen in Sachverständigengremien und im Bundesforschungsministerium, in der IG Metall und nun zu einer Expertengruppe des Kanzleramtes wurde bereits oben skizziert.

„Die Zukunft der Arbeit“

Wir befinden uns in der Arbeitswelt in einer Übergangsphase, ein tiefgreifender Wandel steht uns bevor, Arbeit wird neu definiert werden müssen. Es ist eine Situation ähnlich jener des Übergangs der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft.

Seit dem Aufkommen der Computer in den 1970er Jahren wird Arbeit zunehmend neu definiert: Immer mehr Menschen können ortsunabhängige arbeiten, dabei verschwinden oder verwischen die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit, zwischen Arbeits- und Wohnort, zwischen Arbeiten und Lernen, zwischen Abhängigkeit und Selbstständigkeit und zwischen Betrieben und Branchen.

Wozu braucht man noch Unternehmen? Wann braucht man Unternehmen? In der Zukunft werden viele Unternehmen auf festangestellte Mitarbeiter weitgehend verzichten, künftig werden Projekte in kleine Arbeitspakete zerlegt und weltweit ausgeschrieben. Bei dieser Art von Crowdsourcing verschwindet nicht die Arbeit, aber der feste Arbeitsplatz.

Welche Art von Arbeit wird nachgefragt sein? Früher dachte man, dass der Computer uns das Denken abnimmt. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Der Computer übernimmt Routinetätigkeiten – von der Datenverarbeitung bis zur Automatisierung der Produktion und dem Ersetzen von Angestellten durch Software, die auch die menschliche Sprache verstehen und umsetzen lernt.

Menschen werden dann vor allem für die Bewältigung von „Ausnahmesituationen“ gebraucht. Das ist neben Haushalt, Familienarbeit, Pflege etc. das, was für einen Computer nicht routinemäßig genug ist: Dort, wo intellektuell anspruchsvolle Aufgaben winken oder eine immer bessere Ausbildung und eine permanente Weiterbildung gefordert ist.

Für diese „Spezialisten“ hat Peter Drucker vor gut 50 Jahren bereits den Begriff „Wissensarbeiter“ geprägt. Wissensarbeiter sind demnach die, die am besten über ihre (spezialisierte!) Tätigkeit Bescheid wissen.

Welche Arbeitsstrukturen brauchen Wissensarbeiter? Nun, um kreativ zu sein und ihr Knowhow optimal mit dem anderer Spezialisten verbinden zu können, ist eine hierarchische Organisation wenig vorteilhaft. Kreativität und Wissensarbeit brauchen flache Hierarchien. Die tayloristischen Strukturen und Arbeitsformen (Top-Down-Hierarchie) in unserer verbreiteten Industrielandschaft werden zunehmend anachronistisch. Die Folgen sind in der zunehmenden Demotivation gerade bei den Leuten zu sehen, die etwas bewegen wollen. Eine Demotivation durch Reibungsverluste und Fehlentscheidungen, deren Kosten mittlerweile in die Milliarden Euro gehen.

Wie könnte eine alternative Wissenswelt aussehen? Ein gutes Beispiel liefern die Open-Source-Gemeinschaften. Das sind weltweite Netzwerke freiwilliger Programmierer, die komplexe Projekte wie etwa Linux, Firefox oder Wikipedia oder auch wesentliche Teile des Internets realisieren. Und zwar mit hoher Motivation und oft mit Begeisterung – und das alles ohne Bezahlung, dafür mit viel Idealismus. Warum tun die das? Weil hier Wertschöpfung auf Wertschätzung basiert.

Open-Source-Strukturen beruhen auf offenem Wissenstransfer, hierarchiefreiem Status und Fairness und Toleranz. Diese Digital Natives haben eine andere Kommunikationskultur entwickelt, und das Internet wirkt als Hierarchiekiller. Deshalb sind viele Open-Source-Produkte der kommerziellen Konkurrenz voraus.

Unternehmen, die diese Wissensarbeiter an sich binden wollen, müssen sich demnach ändern oder wenigstens hierarchiefreie Zonen einrichten. Ein Wandel in den knappen Ressourcen der Gesellschaft wird sichtbar. Waren dies früher Boden und Kapital, so ist es nun der Wissensarbeiter. Gibt es nun einen „War for Talents“? Jedenfalls, die Entwicklung geht in diese Richtung. Gefragt ist eine Zunahme von Informationsfähigkeit (das ist die Fähigkeit, die richtige Information zu kennen und ihr die richtige Bedeutung zu geben).

Was hier entsteht, ist gleichzeitig eine neue Gesellschaftsform. Es geht darum, jene neuen Fähigkeiten fördern, die uns von Maschinen unterscheiden.